Vereinschronik

Von 1892 bis heute – guter Rat und Hilfe für Eigentümer und Vermieter

Vor 130 Jahren war Deutschland noch ein Kaiserreich. Wilhelm II. saß seit vier Jahren auf dem Thron, Herford war Kreisstadt in der Provinz Westfalen im Königreich Preußen. Die zunehmende Industrialisierung führte zu einer Veränderung der Arbeitswelt und einem vermehrten Zuzug in die Städte. Auch in Herford hatte sich die Einwohnerzahl in der Zeit zwischen 1852 und 1892 mehr als verdoppelt auf ca. 20.000. Natürlich brauchten die Arbeiter der auch Wohnraum. Obwohl viel gebaut wurde, war es eng. Mieter hatten kaum Rechte. Die Eigentümer hatten bei der Vermietung ihres Wohnraums und der Festsetzung der Miete freie Hand, was sich auch nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 zunächst nicht wesentlich änderte.

Damals in dieser „guten alten Zeit“ mit vergleichsweise paradiesischen Zuständen für Hauseigentümer und Vermieter wurde der Haus- und Grundbesitzerverein zu Herford gegründet. Im Gründungsjahr hatte er 34 Mitglieder, Vorsitzender war Herr P. Schugard. Um die Jahrhundertwende hatte sich die Mitgliederzahl schon mehr als verdoppelt. Nach § 1 der am 29. Dezember 1901 verabschiedeten Satzung bezweckt der Verein, „die Interessen der hiesigen Haus- und Grundbesitzer zu wahren und zu fördern sowie alle Bestrebungen, welche die Entwicklung, das Wachstum und die Verschönerung der Stadt Herford und deren Feldmarken zu betreffen, zu unterstützen“. Es erfolgte die Eintragung ins Vereinsregister des königlichen Amtsgerichts zu Herford.

Leider sind aus der Frühzeit unseres Vereins nur wenige Unterlagen erhalten geblieben. Soweit überliefert, beschäftigte man sich in der Vereinspraxis nicht nur mit den konkreten miet- und eigentumsrechtlichen Problemen der Mitglieder, sondern auch mit allgemeinen lokalpolitischen Themen. So sprach man sich dafür aus, dass der durch die Herforder Innenstadt rollende Autoverkehr die Höchstgeschwindigkeit von 5 km/h keinesfalls überschreiten solle. Außerdem gab es Überlegungen zur Schiffbarmachung der Werre und zur Nutzung der Wasserkraft, die lebhaft diskutiert wurden. 1914 war die Industrie in Herford bereits auf über 200 Betriebe angewachsen und die Einwohnerzahl mit 33.000 ca. halb so hoch wie heute. Damals wurden Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern von den kommunalen Mieteinigungsämtern entschieden, die aber manch einem zu willkürlich erschienen. Die ersten Mieterschutzverordnungen traten in Kraft. Es gab daher viel zu tun für die damaligen Vorsitzenden, die Rechtanwälte Cramer und Dr. Jacobsen. Die Mitgliederzahl stieg bis 1920 auf 468 an. Auch die Stadtarchitektur hatte sich schon geändert: Moderne mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser verdrängten vielfach die alten Fachwerkbauten. Viele dieser Häuser stehen auch heute noch. Aufgrund der in den Kriegsjahren nahezu ruhenden Bautätigkeit, hatte sich in den Jahren danach die Wohnungsknappheit überall verschärft. Die Politik zog die Notbremse, schrieb die Mieten trotz Inflation auf die sog. „Friedensmiete“ fest und erließ 1923 das erste Mieterschutzgesetz, das Kündigungen deutlich erschwerte und Streitigkeiten an die Zivilgerichte verwies. Der Haus- und Grundbesitzerverein zu Herford hatte viel zu tun und setzte seine Beratungstätigkeit selbst in der danach liegenden, für alle schwierigen Zeit des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkrieges fort, wobei die Vereinsführung mehrfach wechselte. Großen Beratungsbedarf verursachten auch der 1936 eingeführte allgemeine Preisstopp für Bodenpreise und Mieten sowie die 1937 neu eingeführte Berechnung der Grundsteuer nach den Einheitswerten.

Nach dem zweiten Weltkrieg, von dessen Bombenterror die Stadt weitgehend verschont geblieben war, gehörte Herford zur britischen Besatzungszone. Tausende Bewohner des Stiftbergs mussten den Besatzern weichen. Hinzu kamen viele Vertriebene. Die Wohnungsnot führte zu Zwangszuweisungen. Auch die Vereinsarbeit war damals schwierig, wie alte Protokolle zeigen. 1948, im Jahr der Währungsreform, wurde die Beratung der Mitglieder behelfsweise in einem Zimmer des früheren Vorsitzenden „ oft bei bitterster Kälte in unermüdlicher Arbeit und mit zahlreichen Überstunden“ gesichert. Damals hatte der Verein schon ca. 600 Mitglieder und wuchs bis Ende 1949 auf 862 Mitglieder. Es folgte der Wiederaufbau, der Wohnungsbau wurde vorangetrieben und es ist vor allem den privaten Haus- und Grundeigentümern zu verdanken, dass die Wohnungsnot in den Folgejahren weitgehend beseitigt werden konnte. Dies bedeutete auch für unseren Verein mehr Arbeit, so dass man unter Führung des damaligen Vorsitzenden Rechtsanwalt Hermann Busse im Jahr 1955 eine größere Geschäftsstelle im Obergeschoss des Haus Elisabethstr. 3 („Haus des Handwerks“) bezog. In den 1960er-Jahren wurde die Mietpreisbindung für Altbauwohnungen schrittweise abgeschafft und grundlose Kündigungen wurden wieder erlaubt. Die Mietpreise stiegen, Vermieten wurde wieder rentabler, immer mehr Private investierten in Wohnraum. Auch in der Stadt Herford geschah viel: Die innerstädtische Umgehung (Berliner Straße) und die Fußgängerzone wurden errichtet. Im Rahmen der kommunalen Neugliederung verlor Herford seine Kreisfreiheit und vergrößerte sich durch die Eingemeindung von Elverdissen, Stedefreund, Laar, Eickum, Diebrock, Falkendiek, Schwarzenmoor und Herringhausen-Ost.

In den 70er-Jahren beschäftigte sich unser Verein mit seinem damaligen Vorsitzenden Werner Kremeyer, viel mit den Auswirkungen des neuen Wohnraumkündigungsschutzgesetzes und des eingeführten Vergleichsmietensystems, beides Aspekte, die ihren Grundzügen auch heute noch geltendes Mietrecht sind. Der Beratungsbedarf war groß, die Mitgliederzahl nahm in diesem und den beiden folgenden Jahrzehnten kontinuierlich weiter zu, was sicherlich wesentlich der guten Arbeit unseres heutigen Ehrenmitgliedes Heinz Michalski zu verdanken ist. Herr Michalski übernahm von 1973 bis 1993 die Geschäftsführung des Vereins. Die juristische Beratung oblag Herrn Rechtsanwalt Dr. Klaus Busse. Die Mitarbeit und Expertise des Vereins wurde auch anderweitig geschätzt. So war unser Verein bereits 1978 bei der Erstellung des ersten Herforder Mietspiegels gefragt und beteiligte sich bis heute an sämtlichen Fortschreibungen.

1987 konnte der Sparkassendirektor Horst Steinbrecher als neuer Vorsitzender gewonnen werden. Alles lief in guten Bahnen. 1992, im Jahr des 100-jährigen Bestehens hatte unser Verein rund 2.000 Mitglieder. Das stetige Mitgliederwachstum und die immer komplizierter werdenden Rechtsfälle veranlassten den Vorstand dazu, die Vereinsgeschäftsstelle nach der Verabschiedung Herrn Michalskis in den Ruhestand ab 1993 mit der Rechtsanwältin Barbara Pape zu besetzen. Frau Pape wurde 1996 von der jetzigen Geschäftsführerin und Volljuristin Martina Wenzel abgelöst. In den Folgejahren baute der Verein seine Beratungsleistungen weiter aus. Vor allem die Möglichkeit, den außergerichtlichen Schriftverkehr in Miet- und anderen Immobilienangelegenheiten führen zu lassen, wurde von den Mitgliedern rege genutzt. Der Verein fand über die Jahre Kooperationspartner, die das Leistungsspektrum ideal ergänzen. Seit 2010 gibt der Verein eine eigene Mitgliederzeitschrift heraus, die alle drei Monate über wichtige Themen rund um Haus- und Grundeigentum informiert. Im gleichen Jahr zog die Vereinsgeschäftsstelle um in ebenerdige, weitgehend barrierefreie und zugleich größere Räume im Haus Rennstraße 33.

Aufgrund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung kündigte der Verein mit Wirkung zum 31.12.2012 seine Mitgliedschaft im Landesverband Haus & Grund Ostwestfalen-Lippe und musste daher den seit 1994 verwendeten Namenszusatz „Haus & Grund“, der markenrechtlich geschützt ist, aufgeben. Diese wohl überlegte Entscheidung führte zu Einsparungen, die dazu beitrugen, dass wir das Personal aufstocken und die Öffnungszeiten der Geschäftsstelle von bislang 16 Stunden an vier Tagen auf heute 27 Stunden an fünf Tagen erweitern konnten. Der Verein beteiligt sich außerdem regelmäßig an der Fortschreibung mehrerer Mietspiegel im Kreis Herford, hat bei der Erstellung der Handlungskonzeptes Wohnen Herford 2030 mitgewirkt und sich gegen überzogene gesetzliche Vorgaben, wie z.B. die Dichtheitsprüfung für alle privaten Abwasserleitungen, mit Resolutionen und Eingaben gewehrt. Den Vorsitz des Vereins, der inzwischen mehr als 2.200 Mitglieder betreut, hat seit 2013 der Herforder Rechtsanwalt und Notar Achim Depenbrock übernommen, der mit Unterstützung der Vorstands- und Beiratsmitglieder und dem bewährten Geschäftsstellenteam positiv in die Zukunft blickt.

Auch wenn an dieser Stelle nicht allzu viele Namen genannt werden konnten: unser Dank gilt all jenen, die am Aufbau und Erhalt unseres Vereins beteiligt waren und in den zurückliegenden 130 Jahren die verantwortungsvolle Arbeit für den Verein und seine Mitglieder geleistet haben. Unschätzbar wertvoll ist in diesem Rahmen die ehrenamtliche Tätigkeit der Vorstands- und Beiratsmitglieder, teilweise über Jahrzehnte hinweg. Vielen Dank!

Unser, auch nach so vielen Jahren noch gut funktionierender Verein zeigt, dass alt nicht gleich altbacken sein muss. Auch heute haben Vereine noch Sinn und Bedeutung, weil sich gemeinsam mehr erreichen und ein gutes Netzwerk finanzieren lässt, das im Fall der Fälle dem Einzelnen hilft.

Wir helfen Ihnen auch zukünftig gern bei Ihren Haus-Aufgaben!

(Martina Wenzel, Geschäftsführerin)